33. Auktion für Historische Wertpapiere Auktion 26 April 2014 - page 29

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Los 150
VF
Grosshandlung Johann Friedrich Klett / Eisengiesserei und Maschinenfabrik Klett & Comp.
Nürnberg, 27.09.1847, 4-seitiges Schreiben, 30 x 21,2 cm, Knickfalten, Randeinrisse, 2 Seiten bedruckt, eine als Adressfeld benutzt, mit mittig gebro-
chenem schwarzen Siegel, Original-Signatur Theodor Cramer-Klett und Carl Fuchs. Emilie Auguste Cramer-Klett, geb. Klett, teilt dem Direktorium der
Königlich Privilegirten Ludwigs-Eisenbahn in Nürnberg mit, dass ihr Vater Johann Friedrich Klett verstorben ist, und sie als dessen Erbin die Firmenan-
teile an der Grosshandlung Johann Friedrich Klett sowie der Eisengiesserei und Maschinenfabrik Klett & Comp. an ihren Gatten Theodor Cramer-Klett
übertragen hat. Weiter teilt Theodor Cramer-Klett mit, dass er auf gemeinschaftliche Rechnung mit Carl Fuchs handelt.
Historisch hochinteressantes
Dokument, das den Firmenübergang von einem der beiden MAN-Vorläufer dokumentiert!
Mindestgebot / minimum bid:
5.000 €
Theodor Cramer-Klett war Eigentümer der
Maschinenbau Actiengesellschaft Nürn-
berg (später MAN) und einer der drei wich-
tigsten Wegbereiter der Eisenbahn in Bay-
ern. Er war zudemMitgründer der Süddeut-
schen Bodencreditbank AG, der Privatbank
Merck, Christian & Co. (später Merck Finck
& Co.) sowie der Münchener Rückversiche-
rungs-Gesellschaft.
Das Schreiben war an das Direktorium der
Ludwigs-Eisenbahn in Nürnberg gerichtet.
Theodor Cramer-Klett
wurde am 27. September
1817 in Nürnberg geboren. Seine Mutter Felici-
tas war die Tochter des Nürnberger Kaufmanns
Johann Caspar Falcke. Sein Vater Albert Johann
Cramer betrieb in Nürnberg einen Importhandel
mit Kolonial- und Textilwaren. Diesen musste er
1834 liquidieren um nach Wien überzusiedeln.
Dort beteiligte er sich erfolgreich an einer Sei-
fenfabrik.
Seine ersten kaufmännischen Fertigkeiten er-
warb sich Theodor Cramer im Geschäft seines
Vaters. 1837/38 absolvierte er eine Ausbildung im
Prager Handels- und Bankhaus Lämel. Zudem
besuchte er ein Jahr lang in München Vorlesun-
gen in Philosophie und Naturwissenschaften.
Nach einer kurzen Phase inWien, wo er den krän-
kelnden Vater unterstützte, siedelte er 1840 nach
Genf über. Dort vertiefte er in einem Bankhaus
seine Kenntnisse im Finanzwesen. 1843 hatte er
ein kleines Vermögen beisammen, mit dem er
die Verlagsbuchhandlung Bäumler erwarb. 1844
gliederte er dieser den Friedens- und Kriegs-
kurier an, den späteren Fränkischen Kurier.
1847 war ein besonders einschneidendes Jahr
für Theodor Cramer:
Zunächst heiratete er Emi-
lie Klett, die Tochter Johann Friedrich Kletts.
Dieser war Begründer einer Maschinenfabrik,
die seit 1838 Eisenbahnmaterial, insbesondere
Dampfmaschinen und Kessel, herstellte. Kurze
Zeit nach der Hochzeit verstarb Johann Friedrich
Klett. Theodor Cramer führte die Maschinenfa-
brik und Eisengießerei J. F. Klett weiter. Ab 1865
lautete der Name der Firma Offene Handelsge-
sellschaft Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg
Klett & Co. 1873, auf dem Höhepunkt des Grün-
derbooms, wandelte auch Klett seine Firma in
eine Aktiengesellschaft um. Diese firmierte als
Maschinenbau-Actiengesellschaft Nürnberg. Er
baute zusammen mit seinem ehemaligen Kon-
kurrenten Johann Ludwig Werder das Unterneh-
men zu einer der führenden Maschinenfabriken
Deutschlands aus. Es wurden Eisenbahnmate-
rial, Eisenbahnwaggons, Gewehre und Dampf-
maschinen produziert. Daneben errichtete die
Gesellschaft Brücken, so beispielsweise die Isar-
Hochbrücke bei Grosshesselohe oder die Rhein-
brücke von Mainz nach Gustavsburg (Mainzer
Südbrücke). Große Anerkennung erhielt er auch
für seine Hochbauten wie die Schrannenhalle
in München, den Wintergarten der königlichen
Residenz in München oder die Würzburger
Bahnhofshalle. Besondere Ehre brachte ihm die
Errichtung des Glaspalastes für die Allgemeine
Münchener Gewerbeausstellung 1854 ein. Dieses
nach dem Vorbild des Londoner Kristallpalastes
konstruierte Bauwerk errichtete Klett in nur 100
Tagen. Als Dank dafür wurde er im gleichen Jahr
noch in den persönlichen Adelsstand erhoben.
Theodor Freiherr von Cramer-Klett hatte seit
jeher Freude an Finanzgeschäften.
Daher be-
teiligte er sich Mitte der 1850er Jahre an vielen
Eisenbahngesellschaften. Er beglich die Kapi-
taleinlagen aber nicht in bar, sondern durch
Materiallieferungen seiner Unternehmen. Die
Finanzgeschäfte wickelte er über die Handels-
gesellschaft Klett & Co. ab, die als Holding fun-
gierte. Er kooperierte dabei fast ausschließlich
mit der Bank für Handel und Industrie (Darm-
städter Bank). Gemeinsam mit dieser gründete
er Privatbanken in der Form von Kommanditen
in Wien, Stuttgart, München, Kassel, Mailand
und 1871 die Süddeutsche Bodencreditbank
AG in München. Die Münchener Kommandite
Merck, Christian & Co. entwickelte sich unter
dem sehr fähigen Prokuristen Wilhelm Finck
bald zu einer der führenden deutschen Privat-
banken. Am 6. März 1880 beantragte Cramer-
Klett zusammen mit Wilhelm Finck die Kon-
zession für die Münchener Rückversicherungs-
Gesellschaft. Nach zehn Jahren war die Gesell-
schaft bereits Weltmarktführer und gründete
1890 wiederrum die Allianz Versicherungs-AG.
1866 verstarb seine Ehefrau Emilie Klett. Die
Ehe blieb kinderlos. Klett heiratete die Apothe-
kerstochter Elisabeth Curtze aus Worms. Sie ge-
bar ihm 1874 einen Sohn. Theodor Cramer-Klett
starb nach langer Krankheit am 5. April 1884 in
Aschau. Neben seiner Familie stand Wilhelm
von Finck an seinem Sterbebett. Er war zu einem
väterlichen Freund Cramer-Kletts geworden. Wil-
helm von Finck führte zusammen mit Hermann
Pemsel, FriedrichHensolt und Jean Kempf (beide
leitende Herren bei der Maschinenfabrik Nürn-
berg), Gustav Schlör (Teilhaber bei Klett & Co.)
und der Witwe die Geschäfte Cramer-Kletts wei-
ter. Die Personen hatten auch die Vormundschaft
für den gerade erst zehnjährigen Theodor II.
14 Jahre nach dem Tod von Theodor Freiherr von
Cramer-Klett entstand im Jahr 1898 durch den
Zusammenschluss der Maschinenfabrik Nürn-
berg mit der 1840 gegründeten Maschinenfabrik
Augsburg AG die
Maschinenfabrik Augsburg-
Nürnberg AG (MAN).
Heute beschäftigt der
Fahrzeug- und Maschinenbaukonzern weltweit
mehr als 50.000 Mitarbeiter und erzielt pro Jahr
mehr als 16 Milliarden Euro Umsatz. Mit rund 75
Prozent hält Volkswagen heute das größte Akti-
enpaket an dem Weltkonzern.
Konvolute
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