Hersfeld, 30.09.1609, 6 % Pfandbrief über 100 Reichsgulden, die Otto von Hessen der bürgerlichen Familie Eichler leiht, #60, 13,7 x 24,5 cm, schwarz, beige, Knickfalten, rotes Wachssiegel nur als Fragment erhalten, Transkription liegt bei.
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Die Reichsabtei Hersfeld wird im 8. Jahrhundert gegründet. Im Jahr 769 entsteht aus einer bereits 33 Jahre zuvor von einem Mönch angelegten Einsiedelei ein Benediktinerkloster. Es hat über die Jahrhunderte hinweg 66 Äbte, von denen Joachim Röll der letzte ist. Röll, 1592 durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel als persönlicher Freund in diese Position gebracht, kann sich als zu diesem Zeitpunkt letzter im Kloster verbliebener Katholik jedoch auch nicht mehr gegen die Folgen der vorangegangenen Reformationsbewegung wehren. Vermutlich ist dies der Grund, warum das Kloster aufgegeben und 1604 der älteste Sohn von Landgraf Moritz, Erbprinz Otto von Hessen, zum Koadjutor des Stiftes und damit zu seinem Nachfolger gemacht wird. Nach Rölls Tod im Jahr 1606 übernimmt der erst 11-jährige Otto als Administrator die Verwaltung der Abtei und wird damit der erste weltliche Herrscher des Fürstentums Hersfeld. Der Verfasser dieses Pfandbriefes ist also ein 14-jähriger Knabe! Viel Zeit auf Erden ist ihm andererseits aber auch nicht beschieden – und so stirbt Otto schon 1617, womit das Fürstentum und der Fürstentitel an das Haus Hessen-Kassel übergehen. Den Kern des Klosterlebens bildet seinerzeit die Stiftskirche. Nach der Aufgabe des Klosterbetriebs werden in ihr nur noch evangelische Gottesdienste abgehalten. Im Siebenjährigen Krieg wird sie als Kornspeicher genutzt und 1761 von abziehenden französischen Truppen in Brand gesteckt. Seitdem gilt sie als die „Stiftsruine“, die heute die größte romanische Kirchenruine Europas ist.