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Los 608 Commerzbank I. W. Junker & Co. / Banque de Commerce I. W. Junker et Cie.Moskau, 1914, Aktie der 6. Emission
über 2 x 250 Rubel, #69107-8, 29,8 x
22,8 cm, grün, beige, schwarz, Stempel, Knick-
falten, Erhaltung VF, dreisprachig: Russisch,
Französisch, Deutsch,
uns bisher unbekannte
Emission, Einzelstück aus einer alten Samm-
lung!
Faksimile-Signaturen der Vorstände Wil-
helm Lehmann (Wassilij Adolfowitsch, Vorsitz),
Friedrich Karl Junker (Fjodor Fjodorowitsch),
Wilhelm Georg Winterfeldt (Wassilij Jegoro-
witsch), Bernhard Karl Wilhelm Junker (Boris
Fjodorowitsch), Heinrich Bockelmann (Andrej
Andrejewitsch). Heinrich Bockelmann war der
Großvater des deutschen Sängers Udo Jürgens
(dessen bürgerlicher Name Udo Jürgen Bockel-
mann war). Bockelmann war in den letzten Jah-
ren vor dem Krieg der Erste in der Führungs-
mannschaft der Bank. Er wurde als Bürger der
Feindmacht während des Krieges erst interniert
und danach nach Schweden ausgewiesen.
R12!
Das Bankhaus Junker & Co., kurz „Junker-
Bank“ genannt, war das drittgrößte unter den
„großen Vier“ im Moskauer Bankengewerbe,
und zwar zusammen mit der „Moskauer Kauf-
mannsbank“ (Kupecheskij Bank), der „Union
Bank“ und der „Moskauer Bank“ der Brüder
Rjabuschinskij. Gründervater war der Futteral-
macher Johann Wilhelm Junker (1797 - 1847).
Er wanderte 1818 aus Göttingen nach St. Pe-
tersburg aus. Zuerst arbeitete er als Angestellter
in einem Galanteriewarengeschäft. 1819 über-
nahm er das Unternehmen seines Prinzipals
und meldete eine eigene Handelsfirma an. 1824 war ihm auf seinen Ruf hin auch sein Bruder Adolf Friedrich nach Russland gefolgt.
Dieser war von Beruf Buchbinder. Johann Wilhelm machte mit ihm eine Hutfabrik in St. Petersburg auf. 1832 folgte eine zweite Hutfa-
brik in Moskau und noch etwas später gründeten sie in jeder der beiden Städte auch noch eine Kerzenfabrik. Der Wendepunkt zum
Bankgewerbe geschah 1839. Iwan Wassiliewitsch, wie sich Johann Wilhelm mit seinen russifizierten Vor- und Vatersnamen nannte,
hatte eine erkleckliche Summe Eigenkapital angespart, das es ihm ermöglichte, zunächst ein Wechseldiskontkontor zu eröffnen. Auch
seine Bank- und Wechseldiskontgeschäfte betrieb Junker in beiden Städten, also sowohl in Moskau als auch in St. Petersburg. Im Jahr
1846, als sein Vermögen durch glückliche Bankgeschäfte fast eine halbe Million Rubel erreicht hatte, wurde der Schwerpunkt weg von
den Produktionsbetrieben auf die Bankgeschäfte gelegt. 1875 wurden die Produktionsfirmen für Hüte und Kerzen verkauft. Nach Jo-
hanns Tod 1847 übernahmen seine Brüder Ludwig (Lew Wassiliewitsch) und sein Bruder Friedrich Wilhelm (Fjodor Wassiliewitsch)
das Bankgeschäft. Der deutschstämmige Moskauer Bürger Karl Johann (Karl Iwanowitsch) Röder wurde ebenfalls Teilhaber des Bank-
hauses „J.W. Junker & Co.“ Die Bank wurde bis 1873 als „Handelshaus“ in Form einer Personengesellschaft geführt. 1873 wandelten die
Eigentümer die Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (Towarischtschestwo) um. Daraus entstand dann 1911 die Aktiengesell-
schaft, die das hier beschriebene Aktienzertifikat herausgegeben hat. Die Gesellschaft erwarb das Haus am Moskauer Kusnetzki Most
Nr. 10 (später unter geänderter Nummerierung das Haus Nr. 18) und konzentrierte sich von nun an ausschließlich auf das Bankge-
schäft. Ab 1901 trat bereits schon die dritte Generation mit Alexander (Fjodorowitsch) Junker ein, der allerdings bereits 1904 starb. Nach
seinem Tod folgten seine Brüder Bernhard Karl Wilhelm (Boris Fjodorowitsch) Junker und Friedrich Junker jr. (Fjodor Fjodorowitsch);
beide haben die vorliegende Aktie mit unterzeichnet. Das Bankhaus Junker betätigte sich, wie schon bei der Gründung durch Johann
Wilhelm Junker, in erster Linie im Wechseldiskontgeschäft. Ein weiterer Schwerpunkt war das Kommissionsgeschäft mit Wertpapieren.
Außerdem nahm die Junker-Bank zusammen mit den großen St. Petersburger Aktienbanken an vielen Emissionssyndikaten zur Neu-
gründung von Aktiengesellschaften und bei Börsengängen von bereits bestehenden Industrie- und Handelsunternehmen teil. Sehr ak-
tiv half die Junker-Bank deutschen Firmen, eigene Zweigbetriebe in Russland zu eröffnen, wie z. B. der BASF im Jahre 1874. Die Bank
unterhielt eine eigene Filiale in London und hatte beste Kontakte zu führenden Bankhäusern in Westeuropa. Ganz besonders eng war
die Beziehung zu Arthur von Gwinner von der Deutschen Bank. Auf diese Weise war Junker & Co. in der Lage, umfasssend bei der Plat-
zierung von russischen Staatsanleihen und Pfandbriefen der staatlichen Hypothekenbanken im westlichen Ausland mitzuwirken, wo-
mit die Junker-Bank nicht nur gute Gewinne, sondern auch große Prestigeerfolge erzielte. Die Bank hielt daneben ein großes eigenes
Aktienportefeuille und besaß größere Beteiligungen an einer Reihe von Textilmanufakturen, Versicherungsgesellschaften, Brauereien