Los 393
Warschau-Wiener Eisenbahn-Gesellschaft
Warschau, 01.04.1839, Teilblankett einer Aktie über £ 100 = 4.200 Zloty, o. Nr., 25,3 x 40,1 cm, schwarz, weiß, Knickfalte längs,
ca. 3 cm langer Einriss geklebt, sonst EF, gedruckt auf Tierhaut, viersprachig: Polnisch, Russisch, Englisch, Französisch, russisches
Wappen,
Original-Signaturen der Gründer der Eisenbahn, Peter A. Steinkeller und Graf P. Lubenski. Die älteste Eisenbahnaktie, die von
einer Eisenbahn auf russischem Gebiet bekannt ist! Rarität aus Sammlungsauflösung!
Die erste Eisenbahn in Russland hätte normalerweise die Eisenbahn von St. Petersburg nach Moskau sein sollen.
So war es auch dem Zaren
viele Male vorgeschlagen worden. Der Zar entschied sich aber anders. Zuerst einmal (1835) sollte eine 25 Kilometer lange Test-Strecke zu seiner
Sommerresidenz „Zarskoe Selo“ gebaut werden. Somit war die erste russische Eisenbahn nicht viel mehr als eine Vorortbahn. Die zweite vom Zaren
genehmigte Bahn war die Warschau-Wiener Eisenbahn. Auf der Aktie ist der Text des „allerhöchsten“ Ukas’ von Zar Nikolai I zur Bewilligung der
Eisenbahn in voller Länge abgedruckt. In dem Ukas gab der Zar die Konzession an den Gründer, Herrn Peter Steinkeller, sowie eine Garantie für die
potenziellen Aktionäre auf eine Dividende in Höhe von minimal vier Prozent, gerechnet bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft in Staatsbesitz
übergeht, wobei für den Fall des Aufkaufs der Aktien durch den Staat denAktionären eine zusätzliche Prämie von zehn Prozent zumWert ihrer Aktien
zugesichert wird. Peter A. Steinkeller hatte mit Hilfe seines wichtigsten Sponsors, dem Grafen P. Lubenski die Eisenbahn schon 1834 geplant, aber mit
dem Bau konnte erst nach der allerhöchsten Bewilligung des Zaren begonnen werden. Peter Steinkeller (1799 – 1854) war ein Bankier und Kaufmann,
der zur Elite der Warschauer Unternehmerschaft gehörte. Er brachte gute Voraussetzungen dafür mit: er war aus „gutem“ Hause (sein Vater hatte ein
Handelsunternehmen in Krakau), und er fand auch die „richtigen“ Schwiegereltern, nämlich die Warschauer Kaumanns- und Bankiersfamilie Antho-
nins, deren Bankhaus er später erben sollte. Zur Warschauer Kaufmannselite gehörte ebenfalls Leopold Kronenberg, der nach Steinkellers Tod in die
Gesellschaft eintrat und lange Jahre ihr Vorstandvorsitzender war. Die Signatur Leopold Kronenbergs finden wir auf den späterenAktien und Obligati-
onen der Warschau-Wiener Eisenbahn wieder. Von den 5000 Gründeraktien wurden 1500 Aktien bei den Gründern und Sponsoren in Warschau sowie
in St. Petersburg untergebracht, 1500 wurden in London und weitere 2000 Aktien in Wien platziert.
Die Gesellschaft der Warschau-Wiener Eisenbahn wechselte mehrmals den Eigentümer.
Drei Jahre nach der Gründung der Aktiengesellschaft
kamen nämlich die Bauarbeiten an der Bahn aus Geldnot zum Stillstand, so dass sich der Staat genötigt sah, die Bahn zu stützen. Sie ging 1843 in den
Besitz des Staates über. Sie blieb bis 1857 in Staatsbesitz. Nach der Übernahme durch den Staat wurden die Bauarbeiten fortgesetzt. Die Bauphase
erstreckte sich auf die folgenden Bauabschnitte, die nacheinander fertiggestellt wurden: Warschau-Grodzisk (Fertigstellung 1845), Warschau-Skier-
niewce-Alexandrow (1845), Rogow-Lowitsch (1845), Rogow-Tschenstochau (1846), Rogow- Zabkowice (1847), Sombkowitz-Sosnowice bis zur
Grenzstation „Graniza“, von dort mit einem Abzweig nach Kattowitz sowie einem weiteren Abzweig nach Wien, Österreich-Ungarn (Fertigstellung
1859). Mit diesen Streckenabschnitten entstanden rund 300 Kilometer Eisenbahnlinien, und es wurden rund sieben Millionen Rubel verbaut. Der
Streckenabschnitt Warschau-Kalisch bis an die königlich preußische Grenze wurde bis 1903 fertiggestellt. 1857 ging die Warschau-Wiener Eisenbahn
aus staatlicher Hand an die im gleichen Jahr gegründete private Gesellschaft der Warschau-Bromberger Eisenbahngesellschaft. Die Konzession des
Zaren für die Bahn wurde im gleichen Jahr auf weitere 75 Jahre verlängert. Sie gehörte bis 1890 zur Warschau-Bromberger Eisenbahn. 1890 bis 1912
wurde die Bahn wieder als eigenständige Aktiengesellschaft neu gegründet (Gründer: Leopold L. Kronenberg, G. Epstein, K.A. Milde, A. Renar u.a.;
Vorstand D.P. Palizin u.a.). Von dem Aktienzertifikat der 1890er Gründung hat die Sammlerwelt noch kein Exemplar gesehen. Nur das Zertifikat
der zweiten Emission von 1900 tauchte bisher auf. 1912 erfolgte erneut die Übernahme der Gesellschaft der Warschau-Wiener Eisenbahn durch den
russischen Staat. Diese Warschau-Wiener Eisenbahn hatte, da sie direkt mit den Eisenbahnnetzen in Österreich-Ungarn und Preußen verbunden war,
noch die „westeuropäische“ Spurweite von 1.435 mm, alle weiteren Eisenbahnen, die später im Zarenreich gebaut wurden, bekamen die spezielle
„russische“ Spurweite von 1.524 mm. Im Jahre 1913 umfasste das Gleisnetz der Warschau-Wiener Eisenbahn 749 Werst, davon 290 zweispurig, es
wurden 13 Millionen Passagiere befördert, der Fuhrpark bestand aus 500 Dampflokomotiven, 15.000 Güterwaggons und 500 Personenwaggons; fast
19.000 Arbeiter und Angestellte hatte die Bahn in diesem Jahr. Nachdem das Gründungskapital 1839 runde drei Millionen Rubel betragen hatte, war
es bis 1913 auf 98,6 Millionen Rubel angewachsen. Der Gewinn betrug im Jahre 1913 17 Prozent vom Gesellschaftskapital. Die Warschau-Wiener
war damit die Eisenbahn mit der höchsten „Performance“ im gesamten russischen Zarenreich.
Mindestgebot: 5.000 €
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